Geschichte des Tai Ji Quan

Über die frühe Geschichte des Tai Ji Quan ist wenig bekannt. Die Überlieferung erfolgte meist nur an ein, zwei Schüler und dies vor allem in den eigenen oder befreundeten Familien. Da keine schriftlichen Überlieferungen von dieser Zeit vorhanden sind, ist es verständlich, dass es viele Legenden gibt.

Was man mit Sicherheit weiss, ist, dass die Entwicklung von Tai Ji Quan auf den drei wichtigen Strömungen chinesischer Kultur aufbaut: Chinesische Medizin, Kampfkünste und Philosophie/Religion (Daoismus, Konfuzianismus, Buddhismus).

Die chinesische Medizin war seit der Zeit des Gelben Kaisers Huang Ti (2697 - 2597 v.Chr.) ein Teilbereich der daoistischen Religion und Philosophie. Verschiedene Gesundheitsübungen, basierend auf den Prinzipien von yin und yang, wurden schon damals aufgezeichnet.
Die Geschichte der Kampfkünste ist mindestens 1500 Jahre alt.

Die Entstehungslegende lautet so, dass ein indischer Mönch, genannt Bodhidarma, die Lehre von Buddha nach China brachte und eigentlicher Begründer des Chan-Buddhismus (in Japan später Zen-Buddhismus) ist. Da viele Mönche in China bei schlechter Gesundheit waren, brachte er ihnen ein Körperübungssystem zur Stärkung ihres 'Qi' bei. Dieses System wurde Yi Jin Jing genannt. Auch soll er die Tierformen unterrichtet haben. Aus diesen Tierformen wurde dann das "Shaolin Tempel Boxen", heute bekannt als Shaolin Gong Fu.

Die erste klassische Schrift über Tai Ji Quan wird dem Daoisten Chang SanFeng (Ende der Sung-Dynastie, 1127 - 1279) zugeschrieben. Chang SanFeng gilt der Legende nach als Begründer des Tai Ji Quan. Wie alle daoistischen Meister hat natürlich auch er weit über 100 Jahre gelebt!? Die Legende, wie er die Prinzipien des Tai Ji erkannt hat, lautet so: Chang SanFeng war in den Bergen, als er plötzlich den Angriff eines Falken (andere Quellen sprechen vom Kranich) auf eine Schlange bemerkte. Als er beobachtete, wie die Schlange den geraden Angriffen immer wieder mit kreisförmigen Bewegungen des Kopfes auswich und bis zum Angriff in völliger Ruhe verharrte, verstand Chang SanFeng plötzlich die Prinzipien von yin und yang. Er formte eine neue Kampfkunstform, Tai Ji Quan, basierend auf diesem Verständnis und lehrte dann diese Form daoistischen Mönchen in den Wudang-Bergen.

Die älteste der heute noch praktizierten Stilarten des Tai Ji Quan ist der Chen-Stil. Ihr Begründer Chen Wang Ting (1597 - 1664) und auch die nachfolgenden Meister lehrten aber ihren Stil nur innerhalb der Familie oder an Söhne der Reichen.

Yang Luchan (1799 - 1872) hatte als Aussenstehender keine Chancen, unterrichtet zu werden. So verdingte er sich dieser Chen-Familie als Diener und konnte diese für Jahre beim Üben beobachten. Er übte im Geheimen bis eines Tages die Chen-Schüler mit blossen Händen Holz spalten sollten. Keiner konnte es, worauf Yang Luchan bat, es probieren zu dürfen. Natürlich gelang es, worauf er sich allen Schülern im Zweikampf stellen musste. Da er auch da gewann, war der Meister beeindruckt und nahm ihn als Schüler auf.

Yang Luchan wollte sein Tai Ji Quan wieder den ursprünglichen Prinzipien der klassischen Schriften ausrichten und führte den Grundsatz der sanften, fliessenden Bewegung wieder aus. Er gründete den Yang-Stil. Im Chen-Stil werden unterschiedliche Geschwindigkeiten, hohe Sprünge und schnelle Drehungen ausgeführt. Ebenfalls war Yang Luchan der erste, der Tai Ji Quan öffentlich unterrichtete.

Ein Enkel von Yang Luchan, Yang Cheng-Fu (1883 - 1936) hat die heute als traditionelle Form des Yangstils bezeichnete 'Langform' zusammengestellt.
In dieser Zeit sind aus der Chenstil - Yangstil - Tradition zwei weitere bedeutende Stile hervorgegangen, und zwar der Wu-Stil und der Sun-Stil. Der neueste Stil, der aus dem Yangstil geformt wurde, ist der Pekingstil. Er ist seit den fünfziger Jahren in China der populärste Stil und verbreitet sich auch immer mehr im Westen.

Einer der Hauptschüler von Yang Cheng-Fu war Cheng Man'ching (1900 - 1975). Er ist der im Westen wohl berühmteste Tai Ji  Meister, da er Tai Ji Quan in den sechziger Jahren in die USA brachte und seine von ihm neu geformte 'Kurzform' des Yangstils im Westen (und auch in Taiwan und Südostasien) am meisten unterrichtet wird. Er galt als Meister der '5 Künste' (five excellences): chinesische Medizin, Kalligraphie, Dichtkunst, Malerei und Tai Ji Quan. Cheng hatte als junger Mann Tuberkulose und heilte sich mit Tai Ji Quan davon.

Huang Sheng Shyan (1910 - 1992) war schon lange 'white crane' - Meister, als er Cheng Man'ching 1949 in Taiwan traf und sein Tai Ji - Schüler wurde. Cheng Man'ching schickte ihn dann 1959 als Tai Ji - Lehrer nach Südostasien, um vor allem in Malaysia und Singapur zu unterrichten. Huang Sheng Shyan galt als der einzige, der den Level von Cheng Man'ching in dieser Linie erreichte.

Während den letzten zwanzig Lebensjahren von Huang Sheng Shyan war Patrick Kelly ein Schüler von ihm. Patrick lebte und unterrichtete in dieser Zeit in Neuseeland. Seit 1993 ist er auch in Europa am Unterrichten. Von 1996 bis 2019 war Patrick Kelly Tai Ji  Lehrer von Daniel Züblin und Helen Waldmeier.